Rosa vorlesen

Gerade habe ich den Kindern eine Abendgeschichte vorgelesen. Die von dem kleinen mutigen Schwein Rosa, das seine Brüder vor dem bösen Wolf gerettet hat. Mit viel Spannung und viel Ausdruck. Es macht doch sehr viel Spass, den bösen Wolf zu lesen : "Darf ich Sie vielleicht in mein Schweineschloss zum Probewohnen einladen ?" und die mutige kleine Rosa, die gemeinsam mit ihren Brüdern die gefährliche Situation meistert, indem sie den Wolf erschrecken und dann ganz schnell nach Hause laufen. Entzückende Schweine, diese. 
Ich mag das, die gespannte Erwartung der Kinder, bevor es losgeht. Sie sind immer sehr aufgeregt, zappeln ein wenig hin und her auf ihren Kissen, um dann doch gebannt zuzuhören. Ein Erschrecken, wenn der gefährliche Wolf die Brüder in die Schweine-Fang-Anlage hineinlockt, geht durch die Gruppe. Manchmal muss ich auch eine Hand halten, wenn es zu aufregend wird. 

Einige Größere sind natürlich ganz cool. Aber dann doch erleichtert, wenn der Wolf vor Schreck zu Boden sinkt und seine Frau daneben. Ich lese Kindern gerne vor. Sie sind aufmerksame und interessierte Zuhörerinnen. Ich liebe es auch, wie sich die sich entwickelnde Geschichte auf ihren Gesichtern spiegelt. 

Überhaupt finde ich Kinder als Gäste wunderbar. Laut und aufgeregt sind sie, wenn sie kommen, meist etwas überdreht von der Anreise. Und sie wollen nicht höflich sein. Neugierig, das ja. Wie ist es hier, wie sind die Leute, gibt es Spielsachen, Spielzimmer, Wiese,.... Wir machen immer einen kleinen Rundgang mit neuen Gästen, die noch nicht da waren, so dass sich alle auskennen. Und die Kinder bleiben meist im ersten Spielzimmer schon hängen. Sie sind angekommen, hier wollen sie erst mal sein. Nach einer kleinen Weile können wir dann weitergehen, und nach ein, zwei Tagen kennen sie sich schon gut aus. 
Und zeigen auch neuen Kindern, was sie so alles entdeckt haben. Lernen gemeinsam das Kickern, toben auf der Wiese und halten sich gegenseitig davon ab, die unbekannten Anteile des Essens zu probieren. 

Wenn dieses Umfeld so etabliert ist, reden sie auch mit mir. Die Sicherheit sich auszukennen, Eltern in der Nähe und neue Freunde, da kann man ja mal auch mit Erwachsenen reden und schauen, wie die so sind. Ich geniesse das sehr, die ganz Kleinen, die ganz besonders lange brauchen, um sich anzunähern, dann aber sehr bezaubernd lächeln können. Und jedes Lächeln ist wie ein kleines Geschenk. Die Kleinkinder, die dann auf einmal überallhin wollen und auch mit in den Keller gehen wollen, egal, ob die Treppe steil ist. Die etwas Grösseren, die mir erzählen, wie es in der Schule so ist, und mir Bilder malen. Und die ganz Grossen, fast schon erwachsen, etwas mißtrauisch, ob sie denn auch ernst genommen werden, die mir viele neue Betrachtungsweisen nahebringen – ich mag sie alle. 

Auch die kleinen Rabauken, nervig und doch so verletzlich, schon darauf vorbereitet, dass sie keiner leiden kann. Da können sie ja gleich ordentlich Ärger bereiten. Die aber in unbeobachteten Momenten doch gerne auch mal in den Arm genommen werden. Bei Konflikten mache ich oft einen Kreis auf der Wiese mit allen beteiligten Kindern. Alle erzählen, wie es ihnen geht, und was sie brauchen. Allein das gemeinsam hinsetzen löst schon viele Konflikte. Das zusammensitzen, uns zuhören, ernst genommen werden. Und viele kreative Ideen sind schon dabei entstanden. Wie schon gesagt – ich mag Kinder und freue mich auf die Besuche.

Text: "Rosa vorlesen" - hier downloaden