Matschig war der Tag gestern. Stürmische Böen, kalter Regen, teils nieselig, teilweise auch Hagel. Kein Tag zum rausgehen. Ich habe ihn drinnen verbracht. Habe mir Kerzen angezündet und mir ein Buch geschnappt.
 
"Die Sintflut" von Marianne Fredriksson. Ich bin ja sowieso begeistert von Marianne Fredriksson. Diese Wärme, mit der sie schreibt. Oft über furchtbare Schicksale, ohne zu verurteilen, ohne die Bösen zu suchen, so liebevoll mit ihren Hauptpersonen. Und mir, die ich vor 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten bin, gibt sie viel zu denken. Sie nimmt unseren abendländisch – christlichen Hintergrund ernst. Und auch die Personen, die sich stark damit auseinandersetzen. Aber sie fügt auch oft das mir so fehlende weibliche Element ein. Und bringt mir damit das inzwischen sehr ferne Christentum wieder näher. So auch mit der Sintflut. 

Eine Geschichte, die ich noch nie mochte. Ein Gott, der alle tötet vor Wut! Und dann auch noch einen aussucht, der der Gute sein soll, der überleben darf ! Manchmal kann ich die Wut über die Menschheit verstehen, wenn ich wieder über sinnlose Kriege lese, wenn ich darüber nachdenke, dass wir Essen wegwerfen, während an anderen Plätzen der Erde Menschen verhungern, wenn wir mit unserer Gewinngier wunderbare Orte dieser Erde vergiften und für unsere Kinder und Kindeskinder verderben. Aber in so einem Anfall alle töten ? Und dann auch noch einem die Last aufbürden, nun der bessere Mensch zu sein und alles richtig machen zu müssen. Nie habe ich einen Gott verstanden, der so etwas tut. Dieses Buch erklärt mir das auch nicht, aber es hat mich sehr berührt, vielleicht auch, weil ich es so kurz nach der schrecklichen Flutwelle im indischen Ozean gelesen habe und mir dadurch das Geschehen besser vorstellen kann. Und weil es so viele mystische Ebenen enthält, uralte Völker und ihr Wissen, Magie, Leben und sein. Nun ja, das war gestern. 

Und heute wache ich auf, eine leichte Schneedecke überzieht das Land. Strahlender Sonnenschein empfängt mich. Und da ist sie, die Lust auf frische Luft, auf Bewegung, auf den Geruch der kalten frischen, schneeduftenden Luft. Ich ziehe mich warm an und gehe raus. Der Schnee, schon etwas verharscht, knirscht unter meinen Füßen. Und die Sonne ist so hell, dass ich das fast nicht aushalte. Vor allem nach dem gestrigen grauen Tag. Ich sauge die Luft tief ein, trinke den sauberen Geruch, die Frische, die Kälte. Und dann gehe ich los. 

Ich gehe erst ein Stück die Strasse entlang. Unsere Strasse ist kaum befahren, da nur die 78 Nieperfitzer Einwohner eventuell bei uns durchfahren, um nach Hause zu kommen. Und auch die haben einen anderen Weg zur Auswahl. Die Stille ist bei uns oft sehr tief und ich liebe das knirschende Geräusch unter meinen Füssen, den Wind an meinen Wangen, das Rauschen der Bäume, die im Winter auch schon mal vor sich hinknacken vor Kälte. Nach einem kurzen Stück biege ich ab, in den Wald. Dort wird es noch einsamer, als wäre ich mit den Bäumen in einer Welt, die nur für uns, die Bäume und mich geschaffen wurde. Ich fühle ihre beruhigende und ehrfurchtgebietende Präsenz, hier ist es wunderbar. Wie immer wenn ich hier bin, nehme ich mir vor, das öfter zu tun und mich nicht von meiner Arbeit abhalten zu lassen. 

Schließlich habe ich das Privileg, hier wohnen zu dürfen. Ich muss nicht wieder nach Hause fahren, wenn mein Urlaub vorbei ist. Und weiter geht es zu dem kleinen Buchenwäldchen, das jetzt im Winter mit seinen kahlen Bäumen von der Sonne durchdrungen wird. Die Erwartung auf die ersten kleinen Frühlingsgrünen Blättchen steigt auf und ich freue mich ein wenig. Ich steige auf einen Hügel am Wegesrand und renne wieder runter und lache vor mich hin. Lebenfreude blubbert geradezu aus mir heraus. Dann vorbei an dem kleinen geheimnisvoll grünen Tanneneckchen. Das Moos ist nicht mit Schnee bedeckt, die Tannen waren zu dicht und der Schnee war ja auch nicht so viel. Ein Stück weiter des Wegs ist das Baumhaus, das irgendwelche Kinder in den Baum gebaut haben. 

Auf das klettert Luise manchmal drauf und ist immer unglaublich stolz. Es ist auch mit viel Achtung den Bäumen gegenüber gebaut worden. Kein Nagel durchdringt die verletzliche Rinde des Baumes und tut ihm weh. Alles ist mit Seilen gut festgezurrt. Ich hoffe, das es noch lange hält. Dann bin ich wieder bei unseren Nachbarn angelangt. Freue mich kurz, über ihr Grundstück zu schauen und zu wissen, da sind noch welche, die hier wohnen, hier in Dübbekold.

Text: "Wintersonne" - hier downloaden